Die DMEA-Session "Was bedeutet der AI Act für Medizinprodukte?" beleuchtete die Auswirkungen der EU-Verordnung auf Entwickler, Hersteller und Anwender von KI-basierten Medizinprodukten.
Dr. Matthieu-P. Schapranow (Hasso-Plattner-Institut für Digital Engineering) sprach mit Prof. Dr. Dagmar Krefting (Institut für Medizinische Informatik, Universitätsmedizin Göttingen) und Prof. Dr. Dr. Björn Heismann (FAU Erlangen/Siemens Healthineers) über die mit dem AI Act verbundenen Herausforderungen, aber auch die Chancen für Innovationen im Gesundheitswesen.
Regulierung als Herausforderung
Ein zentrales Thema war die zunehmende Komplexität der Regulierungslandschaft. Der AI Act stellt insbesondere für Startups eine zusätzliche Hürde dar, da er die ohnehin schon anspruchsvollen Zulassungsverfahren für Medizinprodukte weiter verschärft. Die mangelnde Expertise und Kapitalstärke vieler Jungunternehmen erschwert die Einhaltung der neuen Vorgaben.
Auch für Großunternehmen bedeutet der AI Act eine zusätzliche Belastung. Sie müssen ihre bestehenden Strukturen und Prozesse an die horizontal wirkenden Anforderungen der Verordnung anpassen.
Datenverfügbarkeit und -qualität
Die Verfügbarkeit und Qualität von Daten sind entscheidende Faktoren für die Entwicklung und Validierung von KI-basierten Medizinprodukten. Die Experten wiesen darauf hin, dass größere Datenmengen und eine höhere Datenqualität grundsätzlich von Vorteil sind, um Verzerrungen zu vermeiden und die Leistungsfähigkeit der KI-Modelle zu verbessern.
Allerdings bestehen erhebliche Unterschiede in der Datenqualität und den Erwartungshaltungen an die Daten zwischen verschiedenen Regionen und Einrichtungen. Dies stellt eine besondere Herausforderung bei der Entwicklung von Produkten dar, die international eingesetzt werden sollen.
Chancen der europäischen Zusammenarbeit
Die europäische Zusammenarbeit im Bereich der Gesundheitsdaten bietet jedoch auch große Chancen. Initiativen wie der Europäische Gesundheitsdatenraum (EHDS) sollen den grenzüberschreitenden Datenaustausch erleichtern und die Entwicklung innovativer KI-Lösungen fördern.
Ein verbesserter Zugang zu qualitativ hochwertigen Daten aus verschiedenen Ländern kann dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit von KI-basierten Medizinprodukten zu steigern und die Gesundheitsversorgung in Europa zu verbessern.
Anwendungsorientierung und Translation
Die Diskussionsteilnehmer betonten die Bedeutung einer anwendungsorientierten Entwicklung von KI-basierten Medizinprodukten. Es sei entscheidend, konkrete klinische Fragestellungen in den Fokus zu nehmen und den Mehrwert für den Patienten von Anfang an zu berücksichtigen.
Die Translation von Forschungsergebnissen in die klinische Praxis ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Um den Nutzen von KI-basierten Medizinprodukten im Versorgungsalltag zu demonstrieren, sind Pilotprojekte und eine enge Zusammenarbeit zwischen Entwicklern, Anwendern und Regulierungsbehörden unerlässlich.
Hier wurden auch Chancen für Start-ups erwähnt, sich in Pilotprojekten an Kliniken zu erproben. Konkrete klinische Fragestellungen in klinischen Studien könnten ein schlaues Sprungbrett in der Nutzenerprobung sein, anstatt sich um die gesetzlichen Vorgaben "herumzuwieseln", was übrigens auch durch die App Stores verunmöglicht wird.
Rolle von TEF-Health
In der Diskussion wurde auch die Rolle von Initiativen wie TEF-Health (Testing and Experimentation Facilities for Health) hervorgehoben. Die engagierte Koordinatorin Petra Ritter wurde erwähnt, die eine treibende Rolle bei der Erprobung und Validierung von KI-basierten Medizinprodukten spielt. TEF-Health zielt darauf ab, den Marktzugang für innovative KI-Lösungen im Gesundheitswesen zu erleichtern, indem es eine Umgebung für Tests und Experimente unter realen Bedingungen bietet. Dies soll dazu beitragen, die Entwicklung sicherer und effektiver KI-Medizinprodukte zu beschleunigen und die Akzeptanz in der Gesundheitsversorgung zu fördern.
Herausforderungen bei der Produktfreigabe
Die Diskussion berührte auch die Frage, wie sich der AI Act zu bestehenden Regularien für Medizinprodukte verhält. Die Experten stellten klar, dass der AI Act zusätzliche Anforderungen mit sich bringt, die bei der Produktfreigabe berücksichtigt werden müssen. Es wurde betont, dass es wichtig sei, diese horizontalen Verordnungen mit den bereits etablierten vertikalen Regulierungen in Einklang zu bringen, um Doppelarbeit zu vermeiden.
Fazit
Der AI Act stellt die Entwicklung und Anwendung von KI-basierten Medizinprodukten vor erhebliche Herausforderungen. Gleichzeitig bietet die europäische Zusammenarbeit im Gesundheitswesen aber auch große Chancen, um innovative Lösungen für die Patientenversorgung zu entwickeln. Entscheidend für den Erfolg wird sein, die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen, den Zugang zu qualitativ hochwertigen Daten zu verbessern und eine anwendungsorientierte Entwicklung von KI-basierten Medizinprodukten zu fördern.
ssey/bvdd