Eine Online-Umfrage von Bitkom und Hartmannbund befragte 616 Ärzte aller Fachrichtungen in Kliniken und Praxen zum Stand der Digitalisierung. Die Ergebnisse zeigen: Künstliche Intelligenz (KI) ist längst im Gesundheitswesen angekommen und die elektronische Patientenakte (ePA) steht vor ihrem Durchbruch, allerdings mit Startschwierigkeiten
Die Studie ist damit nicht repräsentativ, bietet aber dennoch ein aussagekräftiges Stimmungsbild der Ärzteschaft in Deutschland.
KI erobert Praxen und Kliniken
KI-Anwendungen sind im deutschen Gesundheitswesen auf dem Vormarsch. In fast jeder siebten Praxis (15 Prozent) kommt KI bereits zum Einsatz, sei es zur Unterstützung der Diagnosestellung (12 Prozent) oder in der Praxisverwaltung zur Vereinfachung von Abläufen (8 Prozent). Noch deutlicher ist der Zuwachs in den Kliniken: Hier hat sich der KI-Einsatz seit 2022 sogar verdoppelt und liegt nun bei 18 Prozent. Insbesondere bei der Auswertung bildgebender Verfahren wird KI genutzt.
Die Ärzteschaft blickt optimistisch auf diese Entwicklung: 78 Prozent der Mediziner bewerten KI als eine „riesige Chance für die Medizin“. Zwei Drittel (67 Prozent) fordern eine stärkere Förderung des KI-Einsatzes in Deutschland, und 60 Prozent glauben, dass KI in bestimmten Fällen bessere Diagnosen stellen wird als ein Mensch. Gleichzeitig besteht ein starkes Bedürfnis nach strenger Regulierung (76 Prozent), um einen verantwortungsvollen Einsatz zu gewährleisten.
ePA: Große Offenheit, mangelnde Vorbereitung
Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) wird von der Mehrheit der Ärzte begrüßt: 68 Prozent zeigen sich „sehr aufgeschlossen“ oder „eher aufgeschlossen“. Als Hauptvorteile sehen sie die Vermeidung von Doppeluntersuchungen (73 Prozent), die Möglichkeit zur schnelleren Diagnose (60 Prozent), die Vermeidung von Wechselwirkungen bei der Medikation (59 Prozent) und eine erhöhte Transparenz für Ärzte (58 Prozent). Auch die Förderung der Digitalisierung des Gesundheitssystems (43 Prozent) und die Transparenz für Patienten (34 Prozent) werden positiv hervorgehoben.
Trotz der prinzipiellen Zustimmung fühlen sich drei Viertel (77 Prozent) der Mediziner nicht ausreichend auf den Einsatz der ePA vorbereitet. Viele Ärzte befürchten technische Schwierigkeiten (86 Prozent glauben nicht an reibungslosen Betrieb), Datenmissbrauch (66 Prozent) und einen hohen technischen Aufwand (62 Prozent). Auch die Überforderung des Praxispersonals (61 Prozent) wird kritisch gesehen. Bemerkenswert ist jedoch, dass sich 41 Prozent der Ärzte auf die Arbeit mit der ePA freuen und mehr als die Hälfte (54 Prozent) eine frühere Einführung begrüßt hätte. Seit Ende April 2025 läuft der bundesweite Rollout der ePA im Opt-out-Modell, was bedeutet, dass jeder gesetzlich Versicherte automatisch eine ePA erhält, sofern er nicht widerspricht.
Digitalisierungshürden und -erwartungen
Die Studie identifiziert strukturelle und technische Gründe für die verhaltene Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen. Als größtes Hindernis wird die Komplexität des Gesundheitssystems (81 Prozent) genannt. Auch langfristige Zertifizierungs- und Genehmigungsverfahren (57 Prozent) sowie eine zu starke Regulierung (47 Prozent) bremsen den Fortschritt. Bemerkenswert ist die Kritik an der mangelnden Marktreife digitaler Anwendungen (65 Prozent).
Ein weiterer entscheidender Punkt ist der Datenschutz: 59 Prozent der Ärzte sehen eine zu strenge Auslegung als Hindernis. Dieser Wert ist gegenüber 2020 (32 Prozent) deutlich gestiegen. 72 Prozent sind der Meinung, dass strenge Datenschutzvorgaben Innovationen behindern. Gleichzeitig halten aber auch 22 Prozent den Datenschutz für zu lasch.
Trotz der Herausforderungen blicken Deutschlands Ärzte optimistisch in die digitale Zukunft: 81 Prozent sehen die Digitalisierung als Chance, eine deutliche Steigerung gegenüber 2020 (67 Prozent). Sie erwarten, dass digitale Technologien das medizinische Personal stärker unterstützen und die Versorgung verbessern werden. Allerdings empfinden sich 29 Prozent der Ärzte von der Digitalisierung überfordert, und 22 Prozent geben an, Angst vor diesen Entwicklungen zu haben.
Die Forderung an die Politik ist eindeutig: 62 Prozent der Ärzte wünschen sich, dass die neue Gesundheitsministerin die Digitalisierung noch stärker vorantreibt. Insbesondere die Beschleunigung des ePA-Rollouts und die verbesserte Nutzung von Gesundheitsdaten werden als entscheidend erachtet, um dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen wirksam zu begegnen.