News Präzisionsdermatologie 2050: KI, "Digital Companions", Haftung und neue Vergütungsmodelle

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Während die KI Routineaufgaben übernimmt, konzentrieren sich Fachärzt:innen auf komplexe Fälle und die Interpretation KI-generierter Erkenntnisse.

BVDD

Bis zum Jahr 2050 wird sich die Dermatologie von einer reaktiven, episodischen Behandlung hin zu einer kontinuierlichen, KI-gesteuerten Präzisionsmedizin wandeln. Ein neues Whitepaper, das in Zusammenarbeit mit unserem Campus-Mitglied NiaHealth und dem Department of Dermatology der Aarhus University (Dänemark) entstanden ist, entwirft das Bild einer Patient Journey, in der künstliche Intelligenz (KI), das Internet of Medical Things (IoMT) und personalisierte Diagnostik den Takt angeben.
 

Der "Digital Companion“: Herzstück der künftigen Versorgung


Zentrales Element dieser Vision ist der sogenannte Digital Companion (DC). Dabei handelt es sich um ein hochentwickeltes, KI-gestütztes System, das Patienten und Ärzte als ständiger Begleiter unterstützt. 

  • Rund-um-die-Uhr-Betreuung: Eine konversationelle Schnittstelle übernimmt die Anamnese, Patientenaufklärung und erste Triage.
     
  • KI-gestützte Bildgebung: Vernetzte Geräte, von Umgebungskameras bis hin zu kleinen Drohnen, erfassen Hautveränderungen in 3D und auf zellulärer Ebene.
     
  • Frühwarnsystem: Durch die Analyse von Mustern erkennt das System drohende Schübe (Flare-ups), bevor Symptome sichtbar werden. 

Diagnostik und Monitoring: Das Home-Lab der Zukunft 


Der Schwerpunkt verlagert sich von der Klinik in das häusliche Umfeld. 

  • Molekulare Analyse in Echtzeit: Fortschritte in der Point-of-Care-Diagnostik ermöglichen genetische Hautanalysen zu Hause, wodurch klassische Biopsien weitgehend ersetzt werden könnten.
     
  • Passives Monitoring: Wearables und Sensoren erfassen kontinuierlich Hautparameter, Umweltfaktoren und physiologische Daten, ohne dass der Patient aktiv eingreifen muss.
     
  • Trigger-Identifikation: KI-Algorithmen korrelieren Umwelt- und Ernährungsdaten mit dem Hautzustand, um individuelle Vermeidungsstrategien zu entwickeln. 

Personalisierte Therapie und der „Digitale Zwilling“


Die Behandlung von morgen basiert auf absoluter Individualisierung. Statt “Trial-and-Error” treten präzise Vorhersagemodelle. 

  • Pharmakogenomik: Medikamente und Dosierungen werden auf Basis des genetischen Profils und der Zytokinsignaturen des Patienten ausgewählt.
     
  • Simulierte Behandlung: Mithilfe eines “digitalen Zwillings” können Dosisanpassungen vorab simuliert werden, um die Wirksamkeit zu maximieren und Nebenwirkungen zu minimieren. 

Die Rolle der Dermatolog:innen wandelt sich dabei grundlegend: Während die KI Routineaufgaben übernimmt, konzentriert sich der Facharzt auf komplexe Fälle und die Interpretation KI-generierter Erkenntnisse. Ebenso wird Zeit frei für die Vertiefung der Arzt-Patient-Beziehung und die gemeinsame Entscheidungsfindung.
 

Offene Fragen:
 

Das Whitepaper unterschlägt die ethischen, regulatorischen und gesellschaftlichen Hürden, die es für die Umsetzung der Vision “Dermatologie 2050” zu überwinden gilt, nicht, lässt jedoch - bezogen auf den deutschen Gesundheitsmarkt - einige Fragen offenm. In einer Welt des  “Pervasive Monitoring”, in der Sensoren kontinuierlich Daten erfassen, ist der Schutz der Privatsphäre kritisch. Das System muss offenlegen, wie individuelle Daten zu Analyse- und Entscheidungsalgorithmen beitragen, um ein Gleichgewicht zwischen klinischem Nutzen und Privatsphäre zu wahren.

Ebenso erfordert die Verschiebung von Aufgaben vom Menschen zur Maschine eine Neudefinition rechtlicher Verantwortlichkeiten. Regulatorische Rahmenbedingungen müssen klären, wer die Verantwortung für Diagnosen autonomer Systeme und für grenzüberschreitende telemedizinische Versorgungsleistungen trägt.

Auch die Honorierung, schon jetzt ein leidiges Thema, wird sich wandeln müssen. Da KI-Tools zunehmend analytische Funktionen übernehmen, müssen sich Abrechnungsmodelle von der reinen Leistungsmenge hin zu ergebnisorientierten Honoraren entwickeln, die die ärztliche Governance und die interpretative Verantwortung belohnen.


Quelle Whitepaper: Schierle F, Bolmgren JL, Deleuran M, Welter O, Gebauer V. Precision dermatology 2050: AI-driven personalized monitoring and individualized treatment. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2025; 00: 1–9. https://doi.org/10.1111/jdv.70248


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