“Unser Fokus liegt auf Befundqualität, Fehlervermeidung und Standardisierung.”
Die pathologische Befundung, insbesondere die Histopathologie, stellt einen Eckpfeiler der modernen Medizin dar und ist auch in der Dermatologie von herausragender Bedeutung. Wir sprechen mit Celerato-CEO Samuel Merki über den Beitrag, den Celerato mit seinen digitalen Tools leisten kann. 2017 als Spin-off der Universität Zürich ins Leben gerufen, wurde eine eigenständige GmbH erst kurz nach 2020 gegründet. Finanziell unterstützt wird das ehemalige Spin-off über Accelerator‑Programme wie „Venture Kick“ und durch die Universität Zürich.
Euer Hauptprodukt SynReport bewirbt sich als Tool zur Erstellung strukturierter Pathologiebefunde nach internationalen Standards. Wie genau verbessert diese Strukturierung und Standardisierung die diagnostische Verlässlichkeit und Detailtiefe dermatopathologischer Befunde, insbesondere bei komplexen oder seltenen Hauterkrankungen, verglichen mit traditionellen Freitextbefunden?
Ich muss hier gleich etwas ausholen: Pathologieberichte sind die wichtigste Informationsgrundlage für Therapieentscheide bei Krebs und einer Vielzahl anderer Erkrankungen. Für die Patientensicherheit ist es somit essenziell, dass Patho-Berichte vollständig, korrekt und für die behandelnden Ärzte unmissverständlich formuliert sind.
Insbesondere bei onkologischen Erkrankungen gibt eine Vielzahl an etablierten Standardisierungsorganisationen, welche mit wiederkehrenden Publikationen die Basis dafür schaffen. Einerseits wäre da die WHO, die in ihren sogenannten Blue Books die Terminologie und die diagnostischen Kriterien für Tumorerkrankungen weltweit festlegt. Die Union for International Cancer Control (UICC) definiert mit dem TNM-System standardisierte Kategorien für die verschiedenen Tumorerkrankungen, anhand derer den behandelnden ÄrztInnen kompakt kommuniziert werden kann, wie weit fortgeschritten ein Tumor ist. Die ‘International Collaboration on Cancer Reporting’ (ICCR-Cancer) ihrerseits entwickelt standardisierte Berichtsformulare, die Organ- und oder Erkrankungs-spezifisch festlegen, welche Angaben in Pathologieberichten enthalten sein müssen. Dies stellt unter anderem auch sicher, dass die Anforderungen der WHO Blue Books erfüllt werden und alle notwendigen Informationen erfasst werden, um die TNM-Kategorien korrekt ableiten zu können. In Deutschland enthalten zudem die von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) publizierten S3-Leitlinien zusätzliche nationale Anforderungen und Empfehlungen.
An Vorgaben mangelt es also nicht. Auf Grund derer Umfang, Komplexität und dynamischer Natur, gestaltet es sich mit konventionellen Methoden jedoch als sehr herausfordernd, diese in der Routine-Diagnostik konsequent zu implementieren. Häufig versuchen Pathologieinstitute mittels selbst erstellter Berichtsvorlagen in Form von Word-Files zu erreichen. Diese decken jedoch in aller Regel nur die häufigen Fälle ab, beinhalten keine Kontrollmechanismen und sind, aufgrund fehlender Zeit für die Wartung, schnell nicht mehr aktuell.
In unserem Tool SynReportTM bilden wir diese Fülle an Befundungsrichtlinien in Form von intelligenten Webformularen digital ab. Durch das Beantworten der angezeigten Fragen wird automatisch ein Berichtstext erzeugt. Mittels statisch definierter Algorithmen werden die jeweils anwendbaren Frage- und Antwortmöglichkeiten dynamisch eingeblendet, Vollständigkeits- und Plausibilitätskontrollen durchgeführt und Berechnungen, Scores und Klassifikationen automatisch und verlässlich abgeleitet. Auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass die Berichte immer vollständig, inhaltlich konsistent und einheitlich strukturiert sind – in der Dermatopathologie genauso wie in den übrigen pathologischen Fachbereichen.
Die enge Zusammenarbeit und der Abgleich klinischer Informationen mit dem pathologischen Befund sind in der Dermatologie essenziell für die korrekte Diagnose. Wie unterstützt SynReport konkret den Informationsaustausch und die Korrelation zwischen dem behandelnden Dermatologen und dem Pathologen?
Die gegebenen Antworten (Datenelemente) in den SynReportTM-Formularen sind mit medizinischen Codes (insbesondere SNOMED CT) verlinkt, welche bei Bedarf standortspezifisch angepasst werden können. Wenn im jeweiligen Krankenhausinformations- oder Praxisverwaltungssystem die gleichen Daten-Elemente mit denselben Codes hinterlegt werden, können die klinischen Angaben im Rahmen des elektronischen Probeneinganges (‘Order-Entry’) direkt als Datenpunkte im SynReportTM-Formular übernommen werden. Auf diese Weise können Eingabefehler vermieden werden, und es kann sichergestellt werden, dass die Dermatopathologen alle für die Diagnosestellung relevanten klinischen Angaben mitgeliefert bekommt. Im Formular hinterlegte Logiken können dann ausgehend von den klinischen Angaben automatisch getriggert werden. So wird z.B. bei einem neoadjuvant behandelten Melanom automatisch das ‘y’ ergänzt im TNM-Kürzel, oder es können je nach Verdachtsdiagnose Zusatzfragen eingeblendet werden.
Soviel zum aktuellen Stand. Perspektivisch dürfte jedoch auch in der Gegenrichtung erhebliches Potential bestehen: Die Verlässlichkeit und Effizienz von Verlaufskontroll- und Entscheidungsunterstützungs-Tools auf Seiten Dermatologie könnte erhöht werden, indem die Informationen von der Dermatopathologie in Form strukturierter Daten geliefert würden.
Zeit ist in Klinik und Praxis ein kritischer Faktor. Inwiefern führt die Nutzung von SynReport zu einer spürbaren Effizienzsteigerung im dermatopathologischen Laboralltag? Wo genau sparen Pathologen und ihre Teams Zeit – bei der Befunderstellung, der Codierung oder der Datenverwaltung?
Der grösste Effizienzgewinn von SynReportTM dürfte bei komplexen und seltenen Krebserkrankungen liegen. Dort profitieren die DermatopathologInnen davon, dass ihnen nur die notwendig zu beantwortenden Fragen angezeigt werden, wodurch sie keine Zeit mit dem Nachschlagen von Guidelines verlieren. Insbesondere gilt dies auch fürs Staging: je nach Lokalisation und Tumortyp gibt es bei der Haut insgesamt 8 verschiedene TNM-Staging-Systeme. In SynReportTM wird automatisch das richtige angewandt und anhand der gemachten Angaben die zutreffenden Kategorien angewählt.
Obwohl ein Grossteil der Dermatopatho-Fälle eher simpel ist, und bereits jetzt sehr effizient bearbeitet wird, kann auch hier zusätzlich Zeit gewonnen werden, indem die bereits zuvor indirekt angesprochene Interoperabilität genutzt wird. Dadurch das beispielsweise das Entnahmeverfahren und die Lokalisation des Präparates immer automatisch aus der Bestellung übernommen werden, wird das Sekretariat entlastet, da es die Daten nicht erneut eintragen muss. Die Dermatopathologen ihrerseits können sich Rückfragen bei den Einsendern sparen, wenn alle erforderlichen Angaben automatisch eingetragen werden. Abmessungen und Empfehlungen von Second-Opinion KI-Tools können zudem via SNOMED-Codes verlässlich an der zutreffenden Stelle vorbefüllt werden und müssen nur noch kontrolliert werden. Und auch die Resultate von Spezialuntersuchungen können automatisch aus Vorbefunden oder von Umsystemen übernommen werden, was wiederum Zeit spart.
Ein weiteres Potential von SynReport in der Dermatopathologie sehen wir in der Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Der geführte Workflow erleichtert die Einhaltung der Institutsrichtlinien und verringert den Kontrollbedarf. Da unsere Formulare mehrsprachig sind, können fremdsprachige Mitarbeiter die Formulare zudem auf Englisch ausfüllen, und den Bericht im Anschluss mit einem Klick auf Deutsch ausgeben. Und auch als Schlungs-Tool für angehende Dermatopathologen birgt SynReportTM grosses Potential, da zusätzlich zur Unterstützung bei der Berichtserstellung direkt im Tool an den jeweils relevanten Stellen Zusatzinformationen abgerufen werden können.
Zum Stichwort ICCR und deutsche S3-Leitlinien: Wie gewährleistet Celerato, dass die Befundungsformulare in SynReport Änderungen in diesen abbilden? Welchen direkten Nutzen hat ein deutsche Dermatopathologe von dieser integrierten Guideline-Unterstützung?
Die ICCR publiziert Updates zu den Templates auf ihrer Webseite, welche wir monatlich kontrollieren. Im Falle eines Updates gleichen wir unsere Formulare im Schnitt innert eins bis drei Monaten an die aktualisierten Vorlagen an. Dies wird einerseits dadurch ermöglicht, dass die ICCR-Vorlagen recht kompakt und sehr übersichtlich gestaltet sind. Andererseits werden Updates zu den WHO Bluebooks stets mit einiger Vorlaufzeit zu den ICCR-Formularen publiziert, so dass wir die diesbezüglichen Änderungen zum Zeitpunkt des Erscheinens eines ICCR-Updates meist bereits eingepflegt haben.
Bei den S3-Leitlinien ist die Ausgangslage aktuell noch eine andere: Die Leitlinien umfassen mehrere hundert Seiten, und die relevante Information zu extrahieren ist deutlich anspruchsvoller. Da wir derzeit noch dabei sind, unser Set and intelligenten Formularen zu vervollständigen, fokussieren wir uns darauf, alle Inhalte aus den ICCR-Vorlagen umfassend abzubilden und zusätzlich auch die nicht-invasiven Läsionen aus den WHO Bluebooks abzubilden. Zusätzliche Vorgaben aus den S3-Leitlinien übernehmen wir bislang erst punktuell auf Wunsch unserer Kunden. Aktuell ist jedoch, unter Leitung der deutschsprachigen Pathologiegesellschaften, ein Projekt im Gange, bei dem im ersten Schritt offizielle und durch Expertengremien geprüfte deutsche Übersetzungen zu den Original-ICCR-Vorlagen entwickelt werden. In einem zweiten Schritt ist vorgesehen, diese deutschen Versionen der ICCR-Vorlagen um kompakte Vorgaben aus den S3-Leitlinien zu ergänzen – dies wird es bedeutend erleichtern, auch die Vorgaben aus den S3-Leitlinien konsequent abzubilden in unserem Tool.
Zur zweiten Teilfrage: Dermatopathologen in Deutschland können bereits jetzt von der integrierten Guideline-Unterstützung profitieren, da sie, insbesondere bei Krebserkrankungen, stets auf aktuelle, wissenschaftlich fundierte und regionalspezifische Standards zugreifen können. Das Tool führt sie durch die Befundung nach diesen Leitlinien und reduziert so die Gefahr, dass veraltete oder inkorrekte Kriterien angewendet werden, was wiederum die diagnostische Qualität und die Patientensicherheit verbessert.
Der Nutzen unseres Tools gegenüber Freitext- oder auf Word-Files basierender Befundung ist besonders ausgeprägt, wenn Pathologen ein Präparat ausserhalb ihres Spezialgebiets oder seltene Erkrankungen befunden müssen. Wenn eine Dermatopathologin beispielsweise nur alle paar Jahre ein Merkelzellkarzinom antrifft, ist es besonders unterstützend, wenn ihr die zu beantwortenden Fragen vorgelegt und das therapierelevante TNM-Kürzel anhand der gemachten Eingaben automatisch abgeleitet wird.
Wie können die in SynReport erzeugten strukturierten Daten und die automatische Codierung (SNOMED, ICD-O etc.) gezielt für die dermatologische Forschung, für Register oder für weiterführende Analysen zur Versorgungsqualität im deutschen Gesundheitswesen genutzt werden?
Traditionell verfasste Befunde sind tendenziell sehr variabel in Punkto Inhalt, Formulierungen und Struktur, was eine direkte, automatisierte Analyse erschwert. Die relevante Information muss zunächst extrahiert und harmonisiert werden, sofern sie denn überhaupt vorhanden ist. Die Qualität und Vollständigkeit der generierbaren Daten ist aufgrund der Variabilität des Rohmaterials daher suboptimal.
Bei der Befundung mit unserem Tool wird durch automatische Kontrollen die Vollständigkeit der Berichtsdaten gewährleistet, und durch das vordefinierte Vokabular wird die Einheitlichkeit und Eindeutigkeit der Daten maximiert. Zu allen Berichten werden automatisch strukturiertes Daten-Files generiert, welche, nebenbei bemerkt, den Kundenstandort nie verlassen. Dadurch sind die dermatopatholgischen Daten direkt für statistische Auswertungen zugänglich. Dank der verlinkten medizinischen Codes (insbesondere SNOMED CT) wird die Robustheit und Vergleichbarkeit der Daten zusätzlich erhöht.
Dies ist einerseits für Qualitätsmanagementzwecke, insbesondere jedoch auch für Forschungszwecke ausgesprochen wertvoll. Daten von verschiedenen Instituten können mühelos gepoolt werden, was Forschungskollaborationen erheblich erleichtert. Somit wird mit SynReportTM nicht nur die Basis für Therapieentscheide, sondern auch die Grundlage für neue wissenschaftliche Erkenntnisse verbessert. Dank der in unseren Formularen verlinkten ICD-O-Codes können zudem Krebsregistermeldungen automatisiert werden, was wiederum Effizienzgewinne mit sich bringt. Darüber hinaus erleichtert die Verfügbarkeit von standardisierten und codierten Daten auch das Training von KI-Algorithmen.
Pathologische Befunde sind ein wichtiger Teil der elektronischen Patientenakte. Wie nahtlos lässt sich SynReport in die oft heterogenen IT-Systeme (LIS/KIS) deutscher Krankenhäuser und Praxen integrieren? Gibt es hier standardisierte Schnittstellen, die den Austausch klinischer und pathologischer Daten erleichtern?
SynReport verfügt über eine simple Schnittstelle und lässt sich innert weniger Arbeitstage in bestehende Systeme wie Laborinformationssysteme (LIS), Bildmanagementsysteme (IMS) und Praxisverwaltungssysteme (PVS) integrieren. Aktuell ist SynReportTM in Deutschland bereits ins LIS von Nexus integriert. Da der Datenaustausch ist mittels verschiedene Daten-Standards möglich ist, darunter insbesondere auch via HL7 (inkl. FHIR), kann unser Tool, Hersteller-unabhängig mit bestehenden LIS- und KIS-Lösungen kommunizieren.
Perspektivisch ist es auch möglich, die strukturierten Daten sicher in die elektronischen Patientenakte zu übertragen. Aktuell umfasst die elektronische Patientenakte (ePA) ja in erster Linie PDF-Dokumente, in denen medizinische Informationen im Fliesstextformat abgelegt sind. Für eine verbesserte Übersichtlichkeit und bessere Weiterverarbeitung gibt es jedoch durchaus Bestrebungen, künftig verstärkt strukturierte, maschinenlesbare Datenformate einzuführen. Unser Tool ist bereits jetzt in der Lage, hochwertige strukturierte Befunde bereitzustellen, um diese Entwicklung zu unterstützen und den Weg für verbesserte Interoperabilität sowie effizientere medizinische Prozesse zu ebnen.
Vielen Dank.
ssey/bvdd