Das digitale Vereinstreffen der DDG-Arbeitsgruppe Digitale Dermatologie am 12. Juni 2025 widmete sich diesmal dem Thema "Haarsprechstunde via Telemedizin".Professor Dr. Gerhard Lutz, Facharzt für Dermatologie und Allergologie sowie spezialisiert auf Haar- und Nagelerkrankungen, stellte im Rahmen der Online-Session den Teilnehmer:innen seine telemedizinische Haarsprechstunde vor.
Der digitale Weg zum Haarexperten
Professor Lutz, mit über 30 Jahren Lehrtätigkeit und zahlreicher Fachpublikationen eine Koryphäe auf seinem Gebiet, beleuchtete die Voraussetzungen und Möglichkeiten einer Haarsprechstunde per Telemedizin. Grundlage hier ist wie bei den meisten digitalen Therapieangeboten im dermatologischen Bereich die orts- und zeitunabängige Bildübermittlung: Patienten mit Haarausfall können digitale Bilder ihrer Kopfhaut und Haare hochladen. Diese Bilder dienen als Basis für eine dermatologische Beratung durch den Experten. Dies erspart dem Patienten nicht nur lange Anfahrtswege und Wartezeiten in der Praxis, sondern ermöglicht auch eine flexiblere Terminfindung.
Voraussetzungen und Herausforderungen der telemedizinischen Haarsprechstunde
Wie bei jeder Innovation gibt es auch hier Voraussetzungen und Herausforderungen, die es zu meistern gilt:
- Bildqualität und Standardisierung: Eine der zentralen Anforderungen ist die Qualität der hochgeladenen Bilder. Nur präzise und aussagekräftige Aufnahmen erlauben eine fundierte Beurteilung. Hier müssen klare Richtlinien für Patienten und technische Hilfestellungen (z.B. durch Apps oder Anleitungen) entwickelt werden.
- Patienten-Compliance: Der Aufwand, den Patienten in das Fotografieren und Hochladen der Bilder investieren müssen, kann eine Hürde darstellen. Es gilt, diesen Prozess so benutzerfreundlich wie möglich zu gestalten.
- Datenschutz und Sicherheit: Wie bei allen telemedizinischen Anwendungen ist der Schutz sensibler Patientendaten von höchster Priorität. Sichere Übertragungswege und Speicherlösungen sind unerlässlich.
- Digitale Kompetenz: Sowohl auf Patienten- als auch auf Arztseite ist eine gewisse digitale Affinität von Vorteil, um die Potenziale der Telemedizin voll ausschöpfen zu können.
Ablauf:
Eine telemedizinische Haarsprechstunde wird privatärztlich abgerechnet und orientiert sich an der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Die Abrechnung erfolgt über eine privatärztliche Verrechnungsstelle. Patienten werden darauf hingewiesen, dass eine vollständige oder teilweise Kostenerstattung durch ihre Krankenkasse möglich ist.
Abrechnungsziffern laut Prof. Lutz im Detail:
- Erstberatung: Die Kosten für eine Erstberatung setzen sich zusammen aus der GOÄ-Ziffer 15 (chronische Erkrankung, 3,5-facher Satz) und Ziffer 3 (2,3-facher Satz). Die Gesprächsdauer wird dabei dokumentiert.
- Verlaufsberatung (telefonisch oder per E-Mail): Hierfür wird die GOÄ-Ziffer 3 verwendet, entweder mit dem 2,3-fachen Satz oder dem 3,5-fachen Satz. Dies gilt auch für sehr ausführliche E-Mails.
Ablauf und Voraussetzungen:
- Patientenanfrage: Erfolgt in der Regel per E-Mail, die medizinische Beratung findet telefonisch statt.
- Einverständniserklärung: Der Patient muss der Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß DSGVO zustimmen. Ebenso ist eine Entbindung von der Schweigepflicht für die Abrechnung über eine privatärztliche Verrechnungsstelle erforderlich. Die anonymisierte Nutzung von Daten für wissenschaftliche Zwecke bedarf ebenfalls der Zustimmung.
- Fotodokumentation: Vorab wird eine standardisierte Fotodokumentation per E-Mail zugesandt. Für Frauen sind fünf Bilder (Mittelscheitel, senkrechter Scheitel, waagerecht, rechtspartial, talrecht, Geheimratsecken) gewünscht. Bei Männern genügen in der Regel Aufnahmen von oben, Mittelscheitel und Geheimratsecken sowie eine Aufnahme mit zurückgelehntem Kopf und gestrecktem Hals. Bei Alopecia areata kann oft schon ein Bild ausreichen, empfohlen werden aber drei Bilder (von oben, rechts, okzipital). Ergänzende Nahaufnahmen können bei vernarbenden Alopezien (z.B. Frontale fibrosierende Alopezie, Lichen planopilaris) oder bei Verdacht auf Tinea capitis notwendig sein. Bei Lichen planopilaris sind Abstriche mit bakteriologischer Untersuchung wichtig, wobei der Abstrich vom Wundgrund nach Entfernung von Schuppen erfolgen muss.
- Terminvereinbarung und Dokumentation: Bevorzugt telefonisch oder per E-Mail. Alle Dokumente, Fotos und Korrespondenzen werden in einem Ordner abgelegt.
- Erstgespräch: Anamnese und ggf. Besprechung von Laborwerten. Diagnose und Handlungsempfehlungen werden erteilt.
- Nach dem Erstgespräch: Patienten erhalten eine E-Mail mit den besprochenen Punkten zur Erinnerung, da sie oft überfordert sind und sich nicht alles merken können.
- Verordnung von Medikamenten: Erfolgt vorwiegend über den Hausarzt. Empfehlungen zu Nahrungsergänzungsmitteln werden ebenfalls per E-Mail kommuniziert.
- Kontrolluntersuchungen: Erfolgen in der Regel nach sechs Monaten, basierend auf Verlaufsfotos und ggf. weiteren Blutkontrollen bei Mangelzuständen.
Die Vorteile liegen auf der Hand
Trotz kleinerer Hürden im Detail überwiegen die Vorteile der digitalen Haarsprechstunde deutlich:
- Niederschwelliger Zugang: Patienten erhalten unkompliziert Zugang zu spezialisiertem Fachwissen, unabhängig von ihrem Wohnort. Dies ist besonders relevant für Menschen in ländlichen Regionen oder mit eingeschränkter Mobilität.
- Zeitersparnis und Flexibilität: Lange Anfahrten und Wartezeiten entfallen. Die Patienten können die Bilder schicken, wann es ihnen passt, und erhalten dann eine dermatologische Beratung, ohne dass sie physisch in der Praxis anwesend sein müssen.
- Effizienz für Praxen: Der Arzt kann die Bilder in Ruhe sichten und die Beratung terminieren, was zu einer effizienteren Nutzung der Sprechstundenzeiten führt.
- Verlaufskontrolle: Durch regelmäßiges Hochladen von Bildern können Verläufe dokumentiert und Therapien angepasst werden, ohne dass jedes Mal ein persönlicher Termin notwendig ist.
- Innovation und Fortschritt: Die Telemedizin treibt die Digitalisierung im Gesundheitswesen voran und bietet neue Möglichkeiten für die Patientenversorgung.
Die Session zeigte klar: Es gibt viele verschiedene Ideen und Ansätze im Bereich der digitalen Dermatologie. Die telemedizinische Haarsprechstunde ist ein vielversprechendes Beispiel dafür, wie Innovationen direkt in der Klinik oder Praxis angewendet werden können.
ssey/bvdd