Campus News Digi Derma Start-up Café 2025: Wenn die Versorgungsrealität auf technologische Innovation trifft

Eine App ist nur so gut wie ihre Integration: Digi Derma-Start-ups & beyond im Praxistest.

BVDD

Am 13. September 2025 haben wir uns in Berlin zum Digi Derma Start‑up Café getroffen und gemeinsam erlebt, wie lebendig und inspirierend die Verbindung aus innovativen Start‑ups und dermatologischer Praxis sein kann. Vom herzlichen Welcome‑Coffee über spannende Vorträge KI und Praxismanagement bis hin zum Matchmaking zu chronisch‑entzündlichen Hauterkrankungen wurde klar: Wir müssen nicht nur über Technologie reden, sondern über die Menschen, die sie nutzen – und die Probleme, die sie wirklich löst.

KI im Check: Was bringt uns die smarte Anamnese?

Nach einer kurzen Begrüßung durch Dr. Thyra Bandholz und Dr. Ralph von Kiedrowski zeigte Prof. Sebastian Kuhn (Philipps‑Universität Marburg), wie Künstliche Intelligenz den dermatologischen Alltag verändert. Ob Anamnese, Untersuchung oder Therapie – wir haben erfahren, dass digitale Helfer heute schon Diagnosen beschleunigen, Daten strukturieren und die Versorgung sicherer machen können. Trotzdem bleibt der Mensch im Zentrum: Prof. Kuhn betonte, wie wichtig fundierte Ausbildung, Evidenz und ethische Leitplanken sind, damit KI unseren Beruf wirklich unterstützt.

Dabei wurde die zentrale Frage aufgeworfen, ob KI in der Praxis wirklich entlastet oder nur zusätzliche Dokumentationsaufgaben schafft.

Gemeinsam mit dem Bremer Start‑up aisencia durften wir in die Welt der digitalen Dermatopathologie eintauchen. Das Spin‑off der Uni Bremen digitalisiert den gesamten Workflow im histologischen Labor, von der Bildverwaltung bis zur KI‑gestützten Befunderstellung. Uns beeindruckte besonders der Ansatz “Explainable AI”: Die Algorithmen von aisencia sind keine Black Box, sondern lassen sich nachvollziehen – ein wichtiges Signal an Ärzt:innen und Patholog:innen.

Praxisalltag 2.0: Vom Laufstall zur digitalen Effizienz

Ein wichtiger Reality-Check kam von Prof. Dr. Sabine Steinke: Sie verglich KI-Diagnosen im "Real-World Setting" mit den hochtrabenden Studien und stellte fest: Die Ergebnisse sind oft schlechter. Ihr Appell: Start-ups müssen mit Praxen zusammenarbeiten, um langfristig Daten zu sammeln und Systeme zu schaffen, die wirklich robust sind.

Prof. Steinke leitet eine große dermatologische Praxis in Münster und gab einen unverblümten Einblick: eine wunderschöne Altbauvilla, die ihr Team "sportlich" hält, weil sie ständig von einem Stockwerk ins nächste rennen müssen. Ihr Credo: Digitale Tools müssen die Prozesse so vereinfachen, dass die maximale Zeit am Patienten verbleibt – nicht mit der Suche nach Akten.

Ihr Vortrag zeigte eindrücklich, wie digitale Tools den organisatorischen Druck mindern können – wenn sie richtig eingesetzt werden. Sei es die digitale Rezeption, die Telefonate und E‑Mails vorsortiert, oder eine KI‑gestützte Terminvergabe: Wir müssen Technik dort nutzen, wo sie Abläufe vereinfacht, und gleichzeitig unser Team mitnehmen.

Zwei Start‑ups gaben uns dazu konkrete Einblicke: DocMedico präsentierte eine DSGVO‑konforme Online‑Rezeption samt KI‑Telefonassistent, die Anfragen automatisch kanalisiert und mit Praxissoftware vernetzt ist. Besonders spannend fanden wir, dass sich das Modell flexibel skalieren lässt – ideal für wachsende Praxen. Magnosco stellte das Dermatoskop Magnos® vor, ein handliches Gerät mit Laserspektroskopie und einer App zur Echtzeit‑Befundung. Die zugrunde liegende XAI‑KI wird 2025 als Medizinprodukt zugelassen; außerdem hat Magnosco bereits ein CE‑zertifiziertes System für die Praxis entwickelt. Damit wird Hautkrebsdiagnostik transparenter und für Patient:innen nachvollziehbar.

Nach einer kurzen Networking‑Pause nahm uns Dr. Cora Overbeck mit in den “dringlichen dermatologischen Fall”. Sie zeigte, wie automatisierte Ersteinschätzung und Teledermatologie helfen, Patient:innen schneller in die richtige Versorgung zu bringen. Der Kern: Ein gutes Tool ersetzt keine sorgfältige Untersuchung, entlastet aber die Praxen, indem es Fotos und Anamnesedaten strukturiert erfasst und an Dermatolog:innen weiterleitet. Das Start‑up Dermtest präsentierte hierzu seine Plattform für asynchrone Tele‑Dermatoskopie – mit schneller Befundung (innerhalb von 48 Stunden), Integration in bestehende Systeme und klaren Abrechnungswegen. Uns blieb vor allem hängen: Für die Praxis zählt nicht nur die Technik, sondern auch der Workflow; nur wenn Teledermatologie nahtlos in den Alltag passt, bringt sie echte Entlastung.

Ein:e Sprecher:in aus der ambulanten Versorgung beschrieb die Herausforderungen auf dem Land: 3 bis 6 Monate Wartezeit auf einen Termin. Viele Patient:innen kämen wie ein "Reh im Scheinwerferlicht" in die Sprechstunde, ohne die nötigen Informationen. Die Aufgabe der Digitalisierung sei es, diese Hürden abzubauen – vom Online-Termin bis zur digitalen Kommunikation.

BVDD im Dialog

Vor dem Mittag beleuchteten Vertreter:innen des BVDD (Berufsverband der Deutschen Dermatologinnen und Dermatologen) gemeinsam mit der Geschäftsführung, wie der Verband die digitale Zukunft gestalten will. Es ging um Vernetzung, ein effizientes Praxismanagement und das „Update Digi Derma“ – unseren Campus für digitale Weiterbildung. Wir spürten, dass der BVDD Innovationen aktiv fördern will, aber gleichzeitig Wert auf stabile Abläufe legt. Besonders spannend: die Ankündigung einer BVDD‑Praxis‑App, die Abläufe im Praxisalltag unterstützen soll.

Matchmaking zu chronisch‑entzündlichen Hauterkrankungen: Die Feuerprobe für Start-ups

Die zweite Hälfte des Tages stand ganz im Zeichen des Matchmakings bei chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen. Hier trafen die Start-ups auf die harten Fakten aus dem Praxisalltag. Wie integriert man eine App in die bestehende Praxis-Software? Wie können digitale Lösungen eine ländliche Praxis unterstützen, die weit entfernt von urbanen Zentren liegt? 

  • Psoriasis (Moderatorin: Dr. Nicola Brennecke) – Wir sprachen über Komorbiditäten, Lebensqualität und den Wunsch nach lückenloser Dokumentation. Das Start‑up Skinuvita zeigte eine digitale Tagebuchlösung, mit der Patient:innen Symptome, Auslöser und Therapien dokumentieren können. Dermagnostix präsentierte eine molekulare Diagnostikplattform, die Psoriasis‑Untertypen präziser erfasst und damit eine individuellere Therapie ermöglicht. Unser Fazit: Nur wenn Daten strukturiert erhoben und Patient:innen aktiv eingebunden werden, können wir langfristig bessere Ergebnisse erzielen.
  • Atopische Dermatitis (Moderatorin: Tatjana Schilling) – Anhand eines Fallbeispiels einer 38‑jährigen Lehrerin wurde deutlich, wie belastend Schübe für Beruf und Familie sind. NIA Health stellte die Nia‑App vor: Sie begleitet Betroffene mit Wissen, Therapie‑Reminder, Foto‑Diary und Chat‑Funktion. Versicherten vieler Krankenkassen steht die Premium‑Version kostenfrei zur Verfügung. Für uns war wichtig, dass digitale Begleitung verständlich erklärt, aber auch Motivation und psychologische Unterstützung bietet.
  • Hidradenitis suppurativa (Moderator: Dr. Florian Schenck) – Hidradenitis‑Patient:innen leiden oft im Verborgenen. Hier geht es nicht nur um Wundversorgung, sondern auch um Lebensqualität und Scham. Lenicura präsentierte eine schonende, minimalinvasive Lasertherapie, die Narben und Schmerzen reduziert, und ergänzend ein digitales Nachsorge‑Programm. Besonders berührend: der Appell, diese seltene Krankheit stärker ins Bewusstsein der Ärzteschaft zu rücken und Betroffene frühzeitig zu überweisen.
  • Urtikaria (Moderatorin: Dr. Dorit Düker) – Urtikaria ist vielfältig und schwer berechenbar. Die Cruse-Plattform von Dr. Sophia Neisinger (leider nicht präsent) mit umfassenden Wissensmodulen, Symptom‑Tracking und Anbindung an Ärzt:innen. Patient:innen können Trigger erkennen, Therapien dokumentieren und sich austauschen. Ärzte wiederum erhalten strukturierte Reports – eine Win‑Win‑Situation. Hier zeigte sich: Aufklärung und Empowerment sind genauso wichtig wie Medikamente.

Fazit

Der Tag in Berlin hat gezeigt, dass digitale Werkzeuge längst mehr sind als Gadgets. Sie können Arbeitsabläufe vereinfachen, Patient:innen empowern und die Versorgung sicherer machen – wenn wir sie sinnvoll integrieren. Aber: Eine App ist nur so gut wie ihre Integration. Es reicht nicht, eine tolle Idee zu haben, sie muss im hektischen Alltag der Praxis funktionieren. Und genau darum ging es beim Digi Derma Start-up Café: um den mutigen Dialog zwischen denen, die die Zukunft gestalten, und denen, die sie tagtäglich leben.

Wir nehmen mit:

  • Teamwork ist alles. Ohne Schulung und Mitnahme des Praxispersonals laufen auch die besten Tools ins Leere.
  • Transparenz schafft Vertrauen. Start‑ups, die ihre KI‑Entscheidungen erklären können, überzeugen Ärzt:innen eher als Black‑Box‑Modelle.
  • Patient:innen einbeziehen. Ob Tagebuch‑App oder Tele‑Dermatoskopie – digitale Lösungen funktionieren nur, wenn sie den Alltag der Betroffenen erleichtern.
  • Netzwerken lohnt sich. Die kurzen Gespräche beim Café sind oft der Startpunkt für große Projekte.

ssey/bvdd